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Jean Jacques Odier 1927-2017

Zum Andenken an Jean Jacques Odier

Jean Jacques Odier   24.6.1927-19.6.2017

Jean-Jacques Odiers Begräbnis fand am Samstag, 24 Juni statt, dem Tag seines 90sten Geburtstags. Er bezeichnete sich selbst als das schwarze Schaf einer Genfer Bankier-Familie. Nach seinem Studium an der Genfer Universität beschloss er, für den Rest seines Lebens ohne Lohn für die Moralische Aufrüstung (MRA), heute Initiativen der Veränderung, zu arbeiten.

Er befreundete sich mit Gewerkschaftern und besuchte Arbeiter in den Aussenquartieren der französischen Industriestädten Er verfasste Theaterstücke, vor allem die prophetische musikalische Komödie ‘Pitié pour Clémentine’ (Erbarmen mit Clementine): Der Premier Minister schafft darin einen Computer an, um die Staatsgeschäfte zu erledigen. Menschliche Emotionen und Fehler führen jedoch zu einem grossen Durcheinander. Das war 1967!

Sein Stück über das Leben des französischen Sozialisten Jean Jaurès wurde vom Kanton Genf mit einem Preis ausgezeichnet, aber leider wurde es nie aufgeführt! Da waren Jahre des Brückenbauens in Frankreich - Aspekte des Zusammenlebens trotz Verschiedenheiten, der Dialog mit Muslimen, Beziehungen herstellen zur Polizei - alles Themen, die heute noch aktuell sind.

Mit einem kleinen Team von Freunden und Kollegen gründete er die Zeitschrift Changer, deren Chefredaktor er viele Jahre war. Er fasste die Ideen und Erfahrungen der MRA in eine frankophone Ausdrucksweise. Seine Artikel waren messerschaf und manchmal war er ein anspruchsvoller Herausgeber. Aber gleichzeitig war er für viele jüngere Mitarbeiter ein liebevoller und kompetenter Lehrmeister beim Schreiben, Korrekturlesen, Gestalten und Drucken. Er war ein engagiertes Mitglied des Internationalen Forums für Kommunikation (ICF), das für Ethik in den Medien kämpft, und half mit, die ‘Verpflichtung von Sarajevo’ auszuarbeiten.

Er hinterlässt eine Menge jazziger Songs, erstaunlich für jemanden, der weder Musikstunden hatte, noch Noten lesen konnte. ‘Il n’y a pas de petit pays’ (Es gibt keine kleinen Länder) war der Titel seines Liedes für die Schweiz, mit der Botschaft, man sei nur so klein wie man glaubt zu sein.

Er schrieb eine spannende Autobiographie und im Ruhestand war er weiterhin künstlerisch tätig, diesmal als Maler. Wir sind stolze Besitzer von zwei Ölgemälden, die wir an einer Ausstellung in Ferney-Voltaire erworben hatten. Dort, an der Grenze zum Kanton Genf wohnten sie, bevor sie schliesslich nach Genf zogen. Bald darauf wurde bei ihm eine grausame körperliche Krankheit diagnostiziert. Dieser lange Kampf beraubte ihn einer Fähigkeit nach der anderen, ausser seinem neugierigen und kampflustigen Wesen, seinem Humor, seinem Glauben und seiner Würde. Er sprach an medizinischen Kongressen und Seminaren, um den Pflegenden die Perspektive des Patienten zu vermitteln.

Er schrieb immer noch Artikel, E-Mails und Briefe dank einem Stimmen-Erkennungsprogramm, das ihm erlaubte, mit Hilfe eines Fusspedals zu diktieren, noch lange nach dem Verlust der Fingerfertigkeit. Man kannte Jean-Jacques als nicht besonders geduldigen Menschen, vor allem nicht im Umgang mit Computern. Ich besuchte ihn einmal, als er sich mit dem Brief an einen französischen Politiker herumschlug. Ganze Textblöcke erschienen in roter Kursivschrift. Ich versuchte zu helfen und setzte mich vor die Tastatur. Es kam nur noch schlimmer. Nach ein paar Minuten dämmerte es uns, dass das Stimmen-Erkennungsprogramm vergeblich versuchte, unser Gespräch, dazu noch mit einer fremden Stimme, zu verstehen. Wie so oft mit Jean-Jacques haben wir herzlich über uns selber gelacht.

Er trug seine Krankheit mit grossem Mut und Gelassenheit. Seine beiden Söhne, seine Schwiegertöchter und seine Enkel schätzten und besuchten ihn. Und natürlich auch seine liebe Marie-Lise , die in der alten Wohnung, Jean-Jacques Odier ganz nah beim Pflegeheim geblieben war. Mit seinem erschreckend schnellen Elektro-Rollstuhl konnte er zu ihr hinüber flitzen. Bei meinem letzten Besuch, kurz vor seinem Hinschied, fragte er mich nach meines Vaters Tod und was ich dabei gelernt hatte. Er erwähnte die Veränderung zwischen seiner Beziehung zu seinen Eltern und der Art, mit der jetzt seine Enkel sein Kinn streichelten. Beim Abschied sagte ich ‘Adieu’, ein Lebewohl, das auch ein Gott befohlen bedeutet, und ‘bis zum nächsten Mal’. Seine letzten Worte waren: „Wenn nicht vorher!”

Erlebnisse mit Jean-Jacques Odier Jean-Jacques war eine wichtige Person in meinem Leben, nicht nur wegen der Freundschaft, sondern auch wegen seiner Professionalität. Er war mein Chefredaktor, als wir jeden Monat eine neue Ausgabe der „Tribune de CAUX” produzierten. Von ihm habe ich gelernt, wie man eine Zeitung herstellt, all die technischen Anforderungen, die wir vor der Zeit des Computers beherrschen mussten. Später habe ich diese Technik in Afrika und an anderen Orten weitergegeben.

Ich erinnere mich an den Tag, als ich ihn um Hilfe bat. Im Fotolabor des Konferenzzentrums in Caux, für das ich verantwortlich war, herrschte eine grosse Unordnung und Disziplinlosigkeit. Nachdem Jean-Jacques mich aufmerksam angehört hatte gab er zur Antwort: „Ich möchte Ihnen gerne helfen, Danielle, aber vorerst will ich Ihnen von einer Erfahrung mit meiner Ehefrau Marie-Lise erzählen. Wenn ihr Frauen euch über etwas aufregt, so sprecht ihr lange und mit viel Emotionen davon, so dass wir Männer uns hilflos und schliesslich auch als Opfer einer Erpressung fühlen. Denken Sie doch selber darüber nach und kommen Sie erst wieder, wenn Sie keine Lösung finden.“ Auf dem Weg durch den langen Gang, der zum Fotolabor führte, dachte ich nach und begriff, was Jean-Jacques mir sagen wollte. Im Labor angekommen fand ich die Burschen, meine Kollegen, beim Schwatzen. Ganz ruhig sagte ich: „Hier herrscht eine grosse Unordnung. Morgen muss alles aufgeräumt sein!“ Ich setzte mich an mein Pult und sah mit diskretem Vergnügen, dass sich alle ans Aufräumen machten.

Erkenntnis: Ich habe in meinem Berufsleben viele Arbeitsgruppen geleitet und habe dabei aufgepasst, keine emotionale Erpressung zu machen, um etwas bei meinen Kollegen zu erreichen.

Noch etwas zu Jean-Jacques. Er war mein „Steigbügelhalter”, damit ich endlich den Bericht über gewisse Abschnitte meines Lebens schreibe. Der erste dieser Berichte, meine Zeit mit der rumänischen Königsfamilie, ist im November in Rumänien zum internationalen Büchersalon erschienen (Siehe Zig-Zag Seite 8) Danielle Maillefer. Le Sentier

Jean-Jacques war grosszügig und genial. Er brauchte Kopf und Hände in verschiedenster Art und Weise. Er und Marie-Lise halfen mir, meine Wohnung in der Nähe von Plain Palais in Genf einzurichten. Sie begleiteten mich unter anderem auf der Suche nach Dingen, die meine Wohnung dekorierten. Vor allem überliess mir Jean-Jacques leihweise einige seiner Gemälde für das Wohnzimmer. Als ich meine Sachen packte, um in die Philippinen zurückzukehren, betrachtete ich diese Bilder und gab zu, dass ich sie sehr vermissen werde. Da lachte Jean-Jacques übers ganze Gesicht und Marie-Lise zwinkerte ihm zu, als er sagte: „Du kannst sie behalten!” Diese Gemälde hangen nun in meinem Wohnzimmer in Manila. Danke Jean-Jacques, wie du all deine Gaben eingesetzt hast, um Gott zu dienen. Deine Unterstützung, deine Ratschläge und deine Freundschaft habe ich sehr geschätzt! Vielen Dank - Maramiing Salamat po. Alice Cardell, Philippinen

Orginalsprache des Artikels

Deutsch

Artikeltyp
Artikeljahr
2017
Publishing permission
Nicht festgelegt
Publishing permission refers to the rights of FANW to publish the full text of this article on this website.
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