Werner Haller 20. August 1915 – 18. Oktober 2012
Leicht gekürzter Lebenslauf, gelesen am Konzert zu seinem Andenken in der Kirche von Montreux am 17.11.12, durch Andreas Haller, La Tour-de-Trême.
Werner war der Älteste von vier Kindern einer bescheidenen Arbeiterfamilie aus Cham im Kanton Zug. Als gelernter Schlosser stellte sein Vater Kondensmilchdosen bei der Firma Nestlé in Cham her. Nach der Verkehrsschule in Luzern erhält mein Vater eine Stelle ohne festen Arbeitsort bei der Post: er arbeitet in vielen Postbüros der ganzen Schweiz. 1938 verbringt er mit zwei Kollegen drei Monate in Perugia, von der Post beauftragt, Italienisch zu lernen. Auf dem Heimweg machen die drei einen kleinen Umweg über Libyen !
Schliesslich folgt in Basel eine Stelle bei der Kreispostdirektion. In der Freizeit kann Werner seine Violinkenntnisse in einem kleinen Amateur-Orchester zur Geltung bringen, und lernt dort eine Pianistin kennen, die später meine Mutter werden sollte. Ihre Hochzeit feiern sie am 27. April 1943. Werner hatte schon vor dem Zweiten Weltkrieg Kontakte zu Personen, die der sogenannten OxfordGruppe angehörten. Er war von deren Idee überzeugt, nämlich dass jede Veränderung der Welt zum Besseren bei sich selbst beginnen müsse.
Kurz nach dem die Moralische Aufrüstung das „Caux-Palace“ kaufte, wollte es der Zufall, dass die Stelle des Posthalters in Caux frei wurde. Werner spürte, dass er an diesem Ort sehr von Nutzen sein konnte. So entschieden sich meine Mutter und er, entgegen aller Vernunft, Basel, die Familie meiner Mutter und eine wahrscheinliche Karriere bei der Postdirektion, zu verlassen. 1951 zogen sie mit ihren Kindern nach Caux : Sylvie war damals 3 und ich 6 Jahre alt.
In Caux hatte Werner drei Leidenschaften: seine Arbeit im Postbüro (das ihn vor keinen Sorgen verschonte), sein riesiger Garten (wo er die Sorgen loswerden konnte), und immer wieder die Musik: er mit der Geige und meine Mutter am Klavier. Während über 25 Jahren lebte er für und von diesen Leidenschaften.
Nach seiner Pensionierung reisten meine Eltern quer durch die Schweiz und Europa, bis zum Zeitpunkt, als meine Mutter einen Schlaganfall erlitt und, je länger desto mehr, das Bett hüten musste. Zehn Jahre lang pflegte und hätschelte er sie, führte den Haushalt und tat alles für ihr Wohl. Kurz nach dem Tod meiner Mutter im Jahre 1998, zog es ihn wieder bis in die entferntesten Winkel der Schweiz, und er besuchte Freunde, Bekannte und Verwandtschaft. Zu Hause lud er Jung und Alt zu sich zum Kaffee oder Tee ein, daher seine unzähligen Bekannten. Und wieder war die Musik zugegen: mit Geige, Klavier, Cello unterhielt er sie alle. Und sollte ihm seine Gesundheit einen Streich spielen, half sein unermüdlicher Positivismus bei der Genesung: er hatte die Gabe, mit seinem Körper zu sprechen, und sein Körper gehorchte ihm – der Glaube an „le Grand Amour“ tat das Seine dazu.
Mitte November letzten Jahres musste mein Vater wegen eines Beinbruchs ins Spital. Während seiner Genesung im Pflegeheim hatte er, allein in seinem Zimmer, viel Zeit zum Nachdenken. Er entschied aus eigenem Antrieb, seine Wohnung in Caux aufzugeben, in der er 61 Jahre gelebt hatte. In der letzten Zeit spürte er, dass sich der Moment der Grossen Reise näherte, und er hat sich, sorgfältig wie immer, darauf vorbereitet… Und als ihn „le Grand Amour“ bei sich aufnahm, war er dazu bereit.
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