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Lucie Perrenoud (1913-2000)

Nachruf Zig Zag 2000-09

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Am 12. Oktober waren wir in Biel, um von Lucie Abschied zu nehmen. Zugegen waren vier Generationen ihrer Familie und einige ihrer sehr zahlreichen Freunde aus aller Welt. "Mir drängt sich der Gedanke auf, dass sie irgendwo ganz tief gespürt hat, dass Gott an den Menschen glaubt. .. Also glaubte sie auch an ihn, und ihr Glaube an Gott und an den Menschen trieben sie voran, stetig voran auf Wegen der Hoffnung und des Lichts." So formulierte es die Pfarrerin, die die Suzi de Montmollin, Cortaillod Abdankungsfeier leitete. "Sie eiferte nicht, sie glaubte an Gott, diese Frau, die im Lucie Perrenoud ist durch unsere übrigen das Leben liebte, gutes Essen, ein Fest und ihre Familie." Wer würde in diesen Worten nicht Lucie wiedererkennen, so wie sie in ihren letzten Caux-Jahren so viele von uns bei ihrer Ankunft in der etwas nüchternen Eingangshalle mit ihrem strahlenden Lacheln willkommen hiess. Ich entnehme ein paar Passagen aus den Aufzeichnungen, die Lucie im Laufe ihres Lebens gemacht hat und die mir ihr Neffe Max Perrenoud freundlicherweise fur das Archiv in Caux anvertraut hat:

"1938, nach dem internationalen Treffen in Interlaken, und gestarkt durch eine frische kleine Erfahrung von Gottes Eingreifen in mein Leben, entschlossen, seinen Willen zu tun, verlasse ich meine mir liebe Arbeit in Genf (Hilfe fur Emigranten und Flüchtlinge). Elisabeth de Mestral hat die Überzeugung, dass wir eine Verbindung zwischen aIl denen herstellen müssen, die sich entschieden haben, ihr Leben auf die Grundlage absoluter moralischer Massstäbe zu stellen. Wir (Philippe Mottu, Erich Peyer, Koni von Orelli, Hélène de Trey, Ernst Grossmann) sind durchschnittlich 25 Jahre alt. Die Älteren bezweifeln unsere Überzeugungen, und viele sahen uns lieber im Rahmen einer Berufsarbeit als beim Besuchen von Parlamentariern im Bundeshaus ..

Wir fangen an, Nachrichten aus andern Ländern und aus der Schweiz an 300 Freunde zu verschicken. Die 1000 Fr., die ich mir für eine Ski- und Bergausrüstung zusammengespart habe, schmelzen in wenigen Monaten dahin. Wir schaffen in Hingabe, die sie ganz frei machte Familien, die uns für kurze Zeit aufnehmen, und ich lerne, arm zu sein. Das Geld und gleichzeitig völlig verankerte in Gott. kommt mit dem Tropfenzähler, aber wir sprechen nicht davon und verlangen  nichts ... und im letzten Moment reicht es immer fur das Porto der inzwischen 3000Briefe, die wir auf einem Wägelchen zur Post bringen! gemeinsame Zeit in Italien meine beste Freundin geworden und geblieben. Zusammen haben wir Freuden und Leiden, Erfolge und Misserfolge erlebt, auch Momente reiner Schônheit beim Anblick dieser wunderbaren Landschaften mit ihren Kirchen, den historischen Stätten und Gebäuden - Momente, die das Herz erfûllen und uns fùr immer bereichern. Die Jahre, die wir mit der Mannschaft der Moralischen Aufrüstung in Italien erlebt haben, brachten uns die interessantesten Begegnungen: mit den Grossen dieser Welt in der Politik, der Kirche, der Gesellschaft, den Gewerkschaften und mit den Frauen in den Reisfeldern, den Arbeitern in der Landwirtschaft, der Metallindustrie, den Fischern in Kalabrien, den Schauspielern und mit vielen Familien. Und wir haben uns abgemüht, gelitten - alles was ein Leben ausmacht. Und dann war da ihre totale LUCIE PERRENOUD 1913 - 2000 

CarmenVives, Krankenschwester, Spanien Unter deinen Fittichen habe ich meine ersten Schritte in Caux getan, und von dir lernte ich seine Botschaft. Diese ist in mein Leben gekommen wie eine milde Brise, ein frischer, sauberer Wind, der meine Kräfte und meinen Mut erneuerte in jenen schwierigen und ermüdenden Augenblicken, die sich zu gewissen Zeiten unseres Lebens einstellen. "Nach dem Krieg gehört Lucie zu denen, die das Caux Palace anschauen gehen, um es für eine internationale Konferenz zu mieten. "Es brauchte Mut, und mehr als das", sagte Daniel Mottu an der Abdankungsfeier. "Man erzählt sich, dass es am 1. Juni 1946, als Lucie und eine kleine Mannschaft das ehemalige Caux Palace in Besitz nahmen, regnete. Die grosse Halle war düster und schmutzig. Ohne sich beeindrucken zu lassen, begann Lucie ein ausgelassenes Picoulet, das allen die gute Laune wiederherstellte. " "ln diesem Hause gibt es zweierlei", schreibt Lucie im Juli 1946, "es gibt Wunder und Probleme; gebaut ist es auf Wundern, und wir sind von Problemen umgeben: die Unterbringung, die Verpflegung der Helfer, die Organisation und die tausend Fragen, die sich dauernd stellen und dringend nach einer Entscheidung verlangen.

" Daniel Mottu: "Gewiss, die folgenden Jahre verliefen nicht immer geradlinig. Es gab auch für sie Momente des Zweifels, der Enttäuschung, der Krise. ln den Sechzigerjahren, in einer dieser Zeiten des Leerlaufs, ging Lucie nach Spanien, um zu arbeiten. " Lucie hoffte, dank ihrer grossen Sprachkenntnisse in einem Hotel als Rezeptionistin arbeiten zu kônnen, Sie meldete sich an 43 Stellen. Schliesslich wurde sie als Wäschefrau eingestellt. ln jener Zeit schrieb sie: "Demütigend, Unsicherheit. Kein System, alles durcheinander, kein Sack fur die Wäscheklammern. Eingang von Wäsche aller Art. Erlesen (eklig), zählen, waschen, trocknen, falten, bügeln, falten ... Geschwollene Füsse, Maschinen dauernd defekt, schlafen im Office, Eimer, Abfallkübel, schmutzige Wåsche, Flaschen und Durchgang fur aIle. Muss ein Christ das akzeptieren oder kämpfen? Ich bin nicht hergekommen, um einen Arbeitsplatz zu organisieren, sondern um Gott zu finden und zu geben. Nicht schweizerische Gesellschaftsnormen, sondern Jesus in meinem Herzen.

"Hier lemt Lucie Spanisch. Und hier ist ihre Liebe für dieses Land geboren worden. Gewisse der Texte in (nebenstehenden) Kästen geben Zeugnis davon, dass Lucie die Freundin von Leuten sein konnte, die mehr aIs 30 Jahre jünger waren aIs sie selbst. So war es bei mir. Ich machte meine erste Reise mit Lucie ausgerechnet nach Spanien. Auch ich war durch eine Krise gegangen, nach der Auflösung meiner Verlobung. Zusammen mit einer franzosischen Freundin machten wir uns in ihrem gelben Auto auf den Weg, und ich entdeckte die drei Schachteln, die den Kofferraum des Wagens nie verliessen: eine enthielt Informationsmaterial über die Moralische Aufrüstung, eine andere Werkzeuge fur eine mögliche Panne, und die dritte alles Nötige zum Baden, um ja keine Gelegenheit zu verpassen, in die blaue Weite einzutauchen. Das sagte mir alles über Lucie. Mit ihr verband man nicht das Nützliche mit dem Angenehmen; alles wurde angenehm. Ich ging auch mit ihr nach Portugal, um die jungen Leute zu besuchen, die nach der Nelkenrevolution in ihrem Land stolz nach Caux gekommen waren. Später war es Indien. Ihr unermüdliches Interesse fur die Menschen, ihr Wissensdurst machten Lucie zu einer Person, die von allen geschätzt wurde.

Und um noch einmal die Pfarrerin zu zitieren: "Diese Wege der Hoffnung und des Lichtes hat sie geoffnet, damit andere nach ihrem Weggang darauf gehen könnten. Sie sind offen, sie erwarten unsere Schritte, Ihre Schritte, die Sie sie gut gekannt haben, damit Sie das, was sie begonnen hat, in Ihrer eigenen Weise weiterführen . Sie, ihre Familie, die sie so sehr liebte und der sie so viel gab, und auch ich, die Pfarrerin, die nie die Gelegenheit hatte, sie wirklich zu Montserrat Amato, Assistentin ihres Mannes, der Akupunkteur ist ln Blanes, Spanien

Ich habe Lucie vor mehr als 30 Jahren an einer Konferenz in Caux kennengelernt. Sie sprach perfekt spanisch und wurde meine unermüdliche Übersetzerin und Führerin in der Schweiz. Ich verdanke ihr, dass ich verstand, welches die Massstäbe der MRA waren und was es bedeutet, sie zu leben. Nach 17 Jahren Ausbildung in einem religiôsen Kollegium entdeckte ich, dass Gott nicht im Himmel ist, sondern auf der Erde. Mit ihr war alles überraschend und unvorhersehbar, aber gleichzeitig völlig natürlich. Mit thr zu reden bedeutete zu reden ohne zu denken, mit dem Herzen. Das half mir, meine Probleme zu lösen und mich nachher wie neu zu fühlen. Sie hatte die Gabe, zuzuhören und einen frei entscheiden zu lassen. Gerade vor meiner Heirat mit einem Japaner, am Tage vor meiner Abreise in sein Land, sagte sie zu mir: ''Montserrat, würdige Japan, vergleiche es nie mit einem anderen Land!" Diese Worte retteten mich durch den Kulturschock im ersten Jahr. kennen."

Christine Jaulmes, Journalistin, Paris Mit Lucie gewann die manchmal herbe Seite der MRA andere Farben. Wenn man sie aus ihrem Leben erzählen hörte, begann man zu begreifen, dass es ein erstaunliches Abenteuer sein konnte, voller Phantasie, Dynamik, Überraschungen und Freude. Ja, Lucie war eine Abenteurerin, und sie gab einem das Gefühl, dass nichts sie aufhalten konnte ... Auch im Alter, ais ich sie kennenlernte, behielt sie diesen Geist. 1991 hatte sie einer Gruppe von uns, Fulltimern, die als Gemeinschaft in Genf wohnten, ihren blauen Mazda geschenkt, an dem sie aber doch noch hing. Sie begriff, dass ihre Sehkraft zum Lenken eines Fahrzeugs nicht mehr ausreichte, aber wir wussten, dass es für sie ein echtes Opfer bedeutete, und wir waren ihr sehr dankbar. Mit dem Mazda befuhren wir Europas Strassen, von Rumänien bis Deutschland, und es schuf ein spezielles Band zwischen uns.

Orginalsprache des Artikels

Deutsch

Artikeltyp
Artikeljahr
2000
Publishing permission
Erlaubt
Publishing permission refers to the rights of FANW to publish the full text of this article on this website.
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